zwischen Schnief und Schneuf, Schneeschieben und Rechnerauseinanderbauen, neuem Ubuntu-Betriebssystem aufspielen und wieder herunternehmen habe ich gezählt und gerechnet. Hier einige statistische Besonderheiten dieser neunten Runde:
- 36 Teilnehmer waren dabei – der höchste Wert bislang.
- 34 Teilnehmer haben auch gewertet – ebenfalls bester Wert.
- Jedes Haiku wurde bewertet. Drei Punkte heißen „finde ich gut“, zwei Punkte stehen für „ist in Ordnung“, einer für „gefällt mir nicht“.
- Das eigene Haiku bekam automatisch drei Punkte.
- Zunächst gab es zwei Nichtwerter. Bei dem einen stellte sich aber heraus, dass die Mail mit den Punkten in irgendeinem System entfleucht sein muss. Diese zunächst perdu gegangenen Punkte flossen nicht in die Wertung ein, da das Ergebnis vor dem nochmaligen Senden bekannt gegeben worden war. Das davon betroffene Haiku verbesserte sich durch den Nicht-Abzug um zwei Plätze. Dem anderen Nichtwerter wurden – wie angekündigt – drei Punkte abgezogen bekommen, um den rechnerische Vorteil des Nichtwertens auszugleichen.
- Das Sieger-Haiku hat 18 mal das Urteil „finde ich gut“ bekommen. Das gilt auch für das Haiku auf Platz zwei. Entschieden hat also die Zahl der Zweier. Hier hatte das Sieger-Haiku 15 Stimmen gegenüber zehn Stimmen für das Zweitplatzierte.
- Das Sieger-Haiku hatte die wenigsten Einer (nämlich einen).
- Die Votingliste mit den meisten Dreiern hatte davon 27, die Liste mit den wenigsten keinen (ich habe dann den Dreier für das eigene Haiku eingefügt).
- Im Schnitt hat jeder Teilnehmer nicht ganz sieben Mal die Drei gezogen.
- Es gab dieses Mal in der Votingphase nur einen Korrekturwunsch eines Teilnehmers (ebenfalls Rekord). Da die Haiku bereits ausgesendet worden waren und kein technischer Fehler von mir vorlag, habe ich das Haiku nicht noch einmal ausgesendet.
- In der begleitenden Korrespondenz gab es neun Mal Hinweise von Teilnehmern darauf, dass das Thema Geld „schwer“, „schwierig“ oder auch „anspruchsvoll“ sei.
- Einsendeschluss für Korrekturen war der 24. Januar 2013. Eine Korrektur kann auch bedeuten, dass der Name des Autors in der nach dem 24. Januar angedachte Veröffentlichung im Kukai-2010-Blog nicht erscheinen soll. Das ist in einem Fall geschehen.
Zudem habe ich von einigen Teilnehmern sehr spannende Hinweise erhalten, die ein bemerkenswertes Urteil über dieses Kukai darstellen. Ich stelle diese Meinungen anonymisiert in den Blog.
In diesem Sinne: herzlichen Glückwunsch an Hans-Jürgen Göhrung. Und uns allen eine gute Woche – ohne Schnief, ohne Schneuf und ohne Computerprobleme.
Herzliche Grüße
Ralf Bröker
Platz eins (87 Punkte)
Kettenkarussell
Die Münzen aus Kinderhand
speichern noch Wärme
Hans-Jürgen Göhrung
Platz zwei (82)
immer noch im Schrank -
die abgewetzte Jeans
vom ersten Westgeld
Tony Böhle
zweimal Platz drei (76)
Geldsorgen
Vaters Hand
drücken
Gerda Förster
Winterabend
die Wärme der Scheine
aus dem Geldautomat
Dietmar Tauchner
Platz vier (75)
Eintrittsgeld
Mit einem Lächeln fragt sie
nach meinem Alter
Winfried Benkel
Zweimal Platz fünf (72)
Schneeflocken fallen -
das Märchen von Sterntaler
im Schultheater
Silvia Kempen
In Sütterlinschrift
Großmutters Weihnachtsgebäck -
für fünf Pfennig Zimt
Eva Limbach
Platz sechs (71)
Russische Klänge
ein Geldstück fällt in den Hut
des Geigers
Christa Beau
Platz sieben (68)
Opas Lachtränen
bei Millionen Schulden
Spielgeld
Heike Gericke
Platz acht (66)
Gesenkter Blick
Zwischen den Pflastersteinen
blinkt ein Geldstück
Brigitte ten Brink
Platz neun (65)
Sparbüchs’ auf'm Schoß -
der Bub zählt's Geld,
Gutzel für Gutzel
Christian Michel
Platz zehn (64)
weisst du noch
5 Pfennig am Büdchen
die Lakritzschnecken
Monika Thoma-Petit
Platz elf (63)
klimpernde Münzen
in Händen des Knienden
der kupferne Mond
Gabriele Reinhard
zweimal Platz zwölf (62)
Kassensturz
mein Geld, sagt das Kind und zählt
die Schokotaler
Birgit Schaldach-Helmlechner
Chinesischer Tempel
vielfarbiges Papiergeld
geht in Rauch auf
Tore Sverredal
Platz 13
arbeitslos
auch die Zahlen hinter dem Komma
zählen
Ruth Karoline Mieger
Platz 14
gully -
jungs fischen mit stöcken
nach münzglanz
Ruth Guggenmos-Walter
Platz 15
Gehen wir zum Clown?
Na klar, Prinzessin - wenn Mama
wieder Geld bekommt
Gerd Börner
zweimal Platz 16
100-Euro-Note
Grün ist die Hoffnung
schön ist der Schein
Horst-Oliver Buchholz
Dämmerung -
in den Augen der Soldaten
goldene Münzen
Cezar-Florin Ciobîcă
zweimal Platz 17
Birke im Herbst
Ein Kettenhemd aus Talern hängt
golden vorm Haus
Angelica Seithe
steter geldregen –
der einarmige bandit
und die alte frau
Bernd Balder
Platz 18
Abgebrannt
bis auf die Grundmauern das Herz
Drum herum noch der Kies
Janina Weidholz
Platz 19
sein lächeln
für zahlend publikum
eine larve nur
Bacher Sylvia
zweimal Platz 20
unter freiem Himmel
ein Geldstück auf dem Gehweg-
lass liegen!
Elizabeth McFarland
Kartenhäusern gleich
zittern Soll und Haben
Einsturzgefahr!
Norbert Kraas
Platz 21
Mit Knete
gestalten.
Waldorfstiftung –
Georg C. Sindermann
Platz 22
heute nichts Süßes -
in dem Adventskalender
glänzendes Geldstück
Grawner
zweimal Platz 23
der rollende rubel
bringt selbst alte karren IN FAHRT
Britta Knuth
Der Mann gibt vor, blind zu sein
hastig greift er
nach der Münze im Schmutz
Zorka Cordasevic
zweimal Platz 24
Tulpen, die gespitzten Lippen
verregnet
Einer knirscht mit dem Kies
Udo Mansfield
die Klänge
der Geldstücke
in meiner Dezembertasche
Tatsuya Onai
Platz 25
Die Krise ist da
Kein Geld trotz Arbeit
Wie soll es weitergehen?
André Steinbach
Platz 26
sich beschenken nein
keine frage des geldes
sie wollen es nicht
anonymisiert
Platz 27
Meines Vaters Haus ,
erspartes Geld - stolze Habe -
jetzt reif zum Abbruch.
Christine Matha
Platz 28
Pilger landeten,
verspielten ihr ganzes Gold. —
Rothaut-Casinos.
Horst Ludwig
Folgende Beiträge kamen leider erst nach Einsendeschluss
Meteoritenkrater
in der Fußgängerzone
am Rand erste Münzen
Eleonore Nickolay
1 Euro Parkgeld
und der Atem der Stadt strömt
Richtung Weihnachtsmarkt
Birgit Heid
Allgemeine Kommentare (anonymisiert/Kukai-Editor in kursiv)
„Ansonsten hat mir die Teilnahme am Kukai wieder die Möglichkeit gegeben, die eigene Urteilsfähigkeit zu überprüfen. Denn das Werten finde ich ebenso herausfordernd wie das Haiku-Schreiben. Im Grunde genommen ist es ja die gleiche Tätigkeit, nur dass beim Haiku einer Anderen/eines Anderen das Thema bzw. der Inhalt manchmal fremd “erscheint”. Der eigene Blick sollte ja offen sein für alle Stilmittel usw., die die/der Haiku-SchreiberIn einsetzt.“
„... da haben Sie uns eine harte Nuss zu knacken gegeben, das Thema „Geld“ erwies sich als erwartet schwierig. Man sieht es auch, denke ich, an den Ergebnissen, die in der Mehrzahl nicht überzeugen können, und ich weiß, dass dies auch für meinen eigenen Beitrag gelten mag.
Grundsätzlich bin ich immer sehr positiver Stimmung, wenn ich Haiku der Kollegen lese und gebe den Beiträgen durch wiederholtes Lesen gerne wiederholte Chancen. Allein, manchmal hallt auch das nicht wieder. Die Verse bleiben irgendwie stumm. Vielleicht liegt es auch an mir als Leser, dessen bin ich mir durchaus bewusst, finden doch erst im Leser die vielen Nuancen eines gelungenen Haiku zu seiner (stets vorläufigen) Vollendung. So habe ich nur einmal, das aber mit Begeisterung, drei Punkte vergeben. Nun bin ich sehr gespannt, welchen Widerhall die Verse in den anderen Mitstreitern gefunden hat. Ich hoffe auf lebhaftes Bloggen …“
„Ich habe erst letztes Jahr im Herbst das Haiku für mich als literarische Ausrucksform entdeckt. Ich hatte ein wahres Schlüsselerlebnis: In einem Park in Lyon wurden gerade die Gewinner eines Haiku-Wettbewerbs gekürt. Da ich meinem Sohn dann erklären wollte, was ein Haiku ist und ich nur noch vage Vorstellungen hatte, recherchierte ich im Internet und schrieb dann abends mein erstes Haiku!
Seitdem lässt es mich nicht mehr los. „Von Hause aus“ schreibe ich Kurzgeschichten und Erzählungen, aber das Haiku-Schreiben kommt auch meiner Prosa zugute. Es schärft unsere Sinne, nicht wahr? Ich schreibe mit einem ganz neuen Elan und Enthusiasmus. Und Ihre Web-Seite trägt auch ihren Teil dazu bei. Ich wünsche ihr weiterhin Erfolg und ein langes Leben!“
„... Jeden Tag, oft mehrmals, habe ich sie wieder durchgelesen und die Wertung korrigiert, meist indem ich wieder Punkte abzog. Ich werde aber die ganze Zeit ein Gefühl des Unbehagens nicht los. Erstens, weil mich kein einziges Haiku richtig begeistert hat, (was natürlich an meinem verwöhnten „Geschmack” liegt, fürchte ich), zweitens weil die Formulierung für einen Punkt: gefällt mir nicht, den Wunsch erweckt, zu begründen, WARUM nicht.
Natürlich fällt mir auch keine bessere Formulierung ein, das gebe ich zu.
Meine Gründe, nur einen Punkt zu geben, waren nämlich unterschiedlich:
- an dem Haiku müsste sprachlich noch etwas gearbeitet werden
- das Haiku hat die Vorgaben nicht beachtet
- es ist klischeehaft
- es scheint zu konstruiert
- es ist schon alles gesagt
- die Umsetzung des Themas ist an den Haaren herbeigezogen
- es bleibt auch nach mehrmaligem Lesen unverständlich
… Natürlich ist jede Wertung subjektiv. Manche Haiku fand ich auch schlicht langweilig, das gebe ich auch zu. Bin ich nun sehr arrogant? Die beiden Haiku, denen ich drei Punkte gegeben habe, waren die, die über das „ist in Ordnung“ hinaus noch meine Fantasie anregten, Nachhall hatten.
… Ansonsten finde ich es nach wie vor toll, dass Du das Kukai weiterführst! Ich glaube auch, das Thema „Geld” war schon eine Herausforderung. Hast Du selbst auch ein Haiku zu diesem Thema geschrieben?“
Kolosseum
eine Mutter streicht
das Taschengeld
Ralf Bröker
Regler ins Weiß,
Haiku Jahrbuch 2012
„Die Themenvorgabe reizt mich. Ich würde es weiterhin begrüßen, wenn man als Alternative zu „Natur-Haiku“ Themen aus dem gesellschaftlichen Alltag aufgreift. Kann man das Bewertungssystem von kukai irgendwo nachlesen?“
„Ja, auch ich finde Themen aus der menschlichen Natur sehr spannend – was aber nicht heißt, dass sie Anspruch auf Ausschließlichkeit haben.
Die Frage nach dem Bewertungssystem habe ich wohl nicht ganz verstanden: Geht es hier um das gesamte Ergebnis dieser Runde (also mein auf 36 mal 36 aufgestelltes Punktekoordinatensystem)? Oder ist hier die systemische Idee des Bewertungsprinzips gemeint?
Ich versuche mal auf beides zu antworten: Das Gesamtergebnis bleibt beim Kukai-Leiter - nicht nur aus Tradition, sondern auch aus Rücksicht auf die Beteiligten. Denn mancher nimmt dieses doch eher spielerische Element des Haikuschreibens bitter ernst, wie immer wieder festzustellen ist ... Da hilft garantierte Anonymität einer maximalen Objektivität hinein in unsere Realität.
Die Idee des durchgewerteten Kukai, die wir in den drei Runden praktiziert haben, habe ich aus der Sommergras-Jury-Arbeit übernommen. Erstmals in einem Kukai erlebt habe ich es unter der Leitung von Klaus-Dieter Wirth bei Haiku NRW 3.0.
Bekannter ist und weitaus häufiger angewandt wird das Sechs-Punkte-Kukai mit maximal drei Punkten für ein Haiku: Shiki Monthly, DHG-Kukai, die ersten sechs Kukai-2010-Runden, International Kukau, Caribbean Kigo Kukai, Sketchbook. Dieses ist natürlich weitaus einfacher auszuzählen. Aber es hat auch Schwächen:
- Oft wird nur fahrig gelesen, am Ende vorgestellte Haiku bekommen oft wenig Punkte.
- Es ist durch Kooperationen leichter zu manipulieren.
- Nichtteilnahme an der Wertung oder bewusstes Prämieren objektiv schlechter Beiträge verschafft dem eigenen Beitrag einen enormen Vorteil.
- Unzufriedenheit, wenn mehr als sechs Haiku punktewürdig sind.
- Unzufriedenheit, wenn bei bestem Willen keine sechs Punkte untergebracht werden können.
Dem gegenber stehen die entsprechenden Vorteile des allerdings eben zeitintensiveren Drei-Punkte-Kukai: maximale Individualität und zugleich intensive Beschäftigung mit jedem einzelnen Text.
Worüber ich nachdenke: eine Internetseite, auf der die Teilnehmer die Haiku präsentiert bekommen und auch die Punkte abgeben können. Keine Ahnung, wie ich so ein Automationsprojekt angehen kann – aber cool wäre es.“
2 Kommentare:
Von Eleonore Nickolay erreichte mich folgender Kommentar:
"Ich gratuliere dem Gewinner Hans-Jürgen Göhring und der Jury für ihre Entscheidung.
Ich bin ein Neuling auf dem Gebiet, aber nach dem, was ich mir in drei Monaten angelesen habe, meine ich, sagen zu können, dass Hans-Jürgens Haiku ein sehr gutes ist, denn ich spüre förmlich die Wärme der Münze in meiner Hand und vor meinem geistigen Auge spielt sich eine Szene ab:
Ich sehe ein Kind vor einem drehenden Karussell. Es wartet schon eine ganze Weile, dass es endlich anhält. In seiner Hand hält es ein Geldstück fest umschlossen, aus Angst, es zu verlieren. Ich stelle mir die Vorfreude des Kindes vor, vielleicht glänzen seine Augen.
Dann hält das Karussell und das Kind eilt zu dem Gefährt, das es sich beim Zuschauen bereits ausgesucht hat. Jetzt erinnere ich mich plötzlich an meine eigene Angst als Kind, dass ein anderes schneller sein könnte als ich und das Pferdchen, das Flugzeug oder was immer es auch war, vor mir in Beschlag nehmen würde -
Lauter warme Gefühle, die in das zu Anfang kalte Geldstück fließen
Eine komplette kleine Geschichte in drei Zeilen. Ich bin begeistert!
Und noch etwas zu dem Schreiber oder der Schreiberin, der sich/die sich für seinen/ihren „verwöhnten Geschmack“ und mögliche Arroganz entschuldigt.
Ein Genre muss sich doch immer an den Vorgaben seines Genres messen lassen und die angegebenen „Punkte“ (Kriterien ) des Schreibers/der Schreiberin sind doch völlig richtig.
Soviel habe ich nämlich schon verstanden: Es ist eine hohe Kunst, ein Haiku zu schreiben und seinen Ansprüchen gerecht zu werden, kommt einer Gratwanderung gleich.
Wie gelingt es mir, dem Anspruch der Schlichtheit gerecht zu werden, ohne in die Banalität zu rutschen?
Wie dem Anspruch des sparsamen Umgangs mit Stilfiguren gerecht werden, ohne in eine dreizeilige Prosa zu driften?
Wie dem Anspruch, mehr anzudeuten als auszusprechen gerecht werden, ohne völlig unverständlich zu werden?
Wie den Leser überraschen ohne in gekünstelte Effekt-Hascherei zu verfallen?
Lauter Herausforderungen; aber so spannend!"
Sehr interessant, dieser Kommentar von Eleonore Nickolay. Besonders ihre Bemerkung "Ein Genre muss sich immer an den Vorgaben seines Genres messen lassen", finde ich anregend. Jetzt könnte eigentlich eine Diskussion über eben diese "Vorgaben" des Genres Haiku einsetzen. Und das Beste wäre natürlich, wenn die Teilnehmer am Kukai 2010 sich auf solche "Vorgaben des Genres" einigen könnten.
Mit den Charakteristika, die E. Nickolay schon nennt
( Schlichtheit - ohne Banalität; Verständlichkeit- ohne bereits "alles auszusprechen"; sparsamer Umgang mit Stilfiguren; und Originalität - ohne Effekthascherei) wäre ich schon einverstanden. Ich würde aber unbedingt hinzufügen : Kürze, Konkretheit und das Potential, auf etwas hinzudeuten, was über die konkret evozierte Situation hinausgeht.
Kommentar veröffentlichen