die zweite Runde von Kukai 2010 ist zu Ende: Die Punktbesten stehen fest, die Kommentare sind geschrieben. Gewonnen hat Christa Beau mit 18 Punkten vor Ramona Linke (14) und Volker Friebel (zwölf). Herzlichen Glückwunsch!
Aufrichtig freue ich mich, dass diesmal die Möglichkeit der Kommentierung sehr intensiv genutzt worden ist. Das bringt Autoren und Leser weiter - ganz gleich, ob Lob oder Kritik die Aussage prägen.
Drei Haiku haben es leider nicht in die Punkte geschafft. Diese Haiku sind anonymisiert.
Ein/e Teilnehmer/in hat nicht voten können. Ich habe dafür einen diesmal eigentlich pausierenden Haijin aus der ersten Runde gebeten, die Punkte zu vergeben (und dabei das "eigene" Haiku außen vor zu lassen).
Wie versprochen, haben die Kukai-Haijins diese Punkte-Liste vorab gesehen und hatten entsprechende redaktionelle Möglichkeiten. Die Punktevergabe konnte allerdings nicht mehr verändert werden.
Viele Grüße, vielen Dank!
Euer und Ihr
Ralf Bröker
PS: Wer mir mit Kritik oder Anregungen helfen möchte, schreibt mir bitte oder kommentiert hier im Blog. Diskussionen sind auch hier ausdrücklich erwünscht!
Allgemeine Kommentare
Leicht war es nicht, habe so etwas ja noch nie mitgemacht. Aber Spaß hat es gemacht und ich hoffe, es gibt eine Fortsetzung.
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Es war besonders schwierig diesmal, fand ich... (mehr als drei sehr gute haiku dabei...).
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IMMERHIN 11 von (23-1 = 22) ist die Hälfte!!! Sehr annehmbar!!!
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Meine Punkte waren relativ rasch vergeben, eigentlich schon nach dem ersten Lesen... Hab dann noch ein Wochenende hingehen lassen, bin aber heute zum gleichen Ergebnis gekommen ...
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bei diesen Haiku hatte ich es echt schwer - es gab welche mit toller poetischer Aussagekraft, die ich aber in der Form allzu fern dem Haiku empfand und welche, die ich in der poetischen Idee gut fand und der Haiku Form viel näher und im sprachlichen Feinsinn dann nicht ganz gelungen so gibt es von mir aus unterschiedlichen Gründen 6 mal 1 Punkt vielleicht...kann es zukünftig mal eine Einteilung geben in 2 Gruppen: freie Haiku und 5-7-5 Haiku?
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erneut fast zu spät
flattert mein urteil ins nest
sollt mich was schämen...
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Wer jemals Haiku bewertet hat und dabei mit großen Augen erleben musste, dass sein mit Null Punkten bedachtes und grobschlächtigen Worten abgekan- zeltes Haiku von allen anderen Wertern auf den ersten Platz gehievt wurde, weiß, dass man besser die Finger davon lassen sollte. Der Kritiker lebt gefährlich. Und wenn ich mich nun trotzdem erdreiste, meinen Senf dazu zu geben, geschieht dies mit dem Hintergedanken des Feedbacks, weil im Dialog um die Sache im günstigsten Fall der Effekt eintreten kann, voneinander zu lernen.
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Herzlichen Dank für die Zusendung der neuesten Kukai-Ergebnisse. Ich finde sie - wie auch das letzte Mal schon - sehr erfreulich und die Gewinner-Haiku gefallen mir gut. Die Kommentare (sowohl negative wie positive) habe ich sehr geschätzt und finde besonders die ausführliche Kommentierung zum Thema "ähnliche Haiku" außerordentlich anregend. Ich hoffe, das wird sich fortsetzen - so macht der Kukaï nicht nur Spass, sondern ich lerne auch eine Menge dabei!
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Noch etwas, deine Ankündigung des Sommer-Kukais kam für mich (und vielleicht auch für andere?) zu einem Zeitpunkt, zu dem schon viele Sommer-Haikus geschrieben und veröffentlicht waren, so daß es z.B. mir schwerfiel, noch ein* gutes *zu schreiben. Ist ja auch nicht geglückt. Vielleicht wäre es gut, bei einem geplanten Herbst-Kukai dieses jetzt schon anzukündigen? Nur so eine Idee...
Kommentar des Editors:
Dein Einwand ist sehr bedenkenswert. Allerdings ist es mir beim ersten Kukai passiert, dass Teilnehmer bereits vor der Wettbewerbsphase ihre Texte eingereicht haben. Daher der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Themensetzung und Einreichung - der aber für manchen bedeutet, dass die gefühlt besten Haiku schon weg sind. So viel sei gesagt: In 2010 wird es so weiter gehen, wie man es sich ausrechnen kann nach einer Frühlings- und einer Sommerrunde. Für 2011 denke ich über eine veränderte Themensetzung nach.
Platz eins (18 Punkte)
Roter Mohn
im Weizenfeld -
der Schnitter zögert
Christa Beau, 1-5-5
Ein Haiku, das mich aufgrund des Wörtchens „Schnitter“ sofort an den Tod gemahnt, der sich gerade überlegt, ob er oder ob er nicht....... „Roter Mohn“ das klingt nach Sommer und dem Betäubungsmittel, das man daraus herstellen kann, aber auch nach Klatschmohn, der an Wegrändern und in den Wiesen wächst oder bei näherem Hinschauen in den Getreidefeldern zu entdecken ist, die in heutiger Zeit allerdings weniger von einem Mäher sondern eher maschinell abgeerntet werden. Gleichwohl der Konflikt zwischen der Notwendigkeit des Erntens und der dabei nicht immer zu vermeidenden Zerstörung anderer, graziler Pflanzen zum Ausdruck gebracht wird, wirkt das Haiku auf mich konstruiert.
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Christa Beau hat schon viele gute Haiku geschrieben, sie hat einen ersten Platz verdient. Aber mit diesem Haiku? Ich finde: Nein! Ich finde, dass das Haiku durch den Begriff "Schnitter" sehr altertümelnd wirkt. Ein Schnitter kann im Haiku (und in der Realität) allerdings trotzdem mal vorkommen. Aber dass ein "Schnitter" zögert, wenn er Mohn vor sich sieht, glaube ich nicht. Da müssten ganz besondere Bedingungen vorliegen, zu denen das Haiku aber keinerlei Anhaltspunkte gibt. Und dann ist Mohn praktisch immer rot, weshalb das ausdrücklich nur benannt werden sollte, wenn die Farbe besonders betont werden soll. Einen Anlass hierfür müsste ich mir aber mühsam konstruieren. Auch der Umbruch der ersten zur zweiten Zeile gefällt mir nicht. Da würde ich lieber Zeile 1 und 2 umstellen. Von Ingrid Kunschke gibt es ein Haiku, das ein ähnliches Thema verfolgt, all diese Probleme aber vermieden hat: Die Rosenschere / eine Melodie hat sie / zurückgehalten (veröffentlich 2002 auf haikuhaiku.de).
Platz zwei (14 Punkte)
Mittsommernacht -
der Klang ihrer Stimme
danach
Ramona Linke, 3-0-5
Das ist mir zu offensichtlich, was damit gemeint sein will oder muss ich mich jetzt bereits zu den lüsternen Spannern rechnen, die aus Mangel an Geglegenheiten immerfort nur „das Eine“ im Kopf haben und damit keine andere Phantasie mehr entwickeln können?
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Eigentlich gut, ich werde mit diesem Haiku aber trotzdem nicht warm. Warum nur? Vielleicht weil "Mittsommernacht" bei mir keine besondere Bedeutung für das Haiku gewinnen kann, außer dass ein Jahreszeitenwort drin ist. Ein Jahreszeitenwort, das der Text nicht braucht, ist ein überflüssiges Jahreszeitenwort. Wenn Wörter in einen Text gesetzt werden, damit er einer Textkategorie entspricht, dann stimmt etwas mit dieser Kategorienlehre nicht. Texte sind nicht dazu da, um Theorien und Kategorien zu entsprechen, sondern Theorien versuchen, das Verständnis von Texten zu erleichtern. Wenn Theorien damit anfangen, Texte zu beeinflussen, wirft man am besten beide weg und fängt etwas Neues an. Warum nicht einfach "Sommernacht"? Das ist auch ein kigo, doch das fände ich zwanglos. Aber dieses "danach". Die Beobachtung finde ich ganz richtig, also, wie schon gesagt, ein gutes Haiku. Durch die exponierte Stellung allein in der dritten Zeile bekommt dieses "danach" - und der ganze Text - für mich etwas Gespreiztes, Gekünsteltes, und verliert alle Punkte.
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Was den/die lüsterne/n SpannerIn angeht, musste ich lächeln, wenn man nur „das Eine“ im Kopf hat kann man durchaus noch mehr Fantasien entwickeln.
Zu offensichtlich? Dann mal bitte hier lesen.
Oder:
after
lovemaking
rhubarb
tarts
nach
Liebe
machen
Rhabarbertörtchen
Quelle
Platz drei (zwölf Punkte)
Leere Heidelbeersträucher.
Die Süße
im Vogellied.
Volker Friebel, 0-3-6
Die Punkte stören.
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Die Süße der vom Vögelchen verspeisten Heidelbeeren spiegelt sich in dem nun noch brillanter daherkommenden Lied. Besser wäre es den Vogel näher zu benennen. Spatzen sind z.B. recht gesprächig. Vogel ist mir einfach zu allgemein gehalten. Nett. Aber irgendwie doch zu wenig, um es in die Punkteränge zu schaffen.
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"Die Punkte stören": Der Autor findet ganz entgegengesetzt, dass der Verzicht auf Zeichensetzung, Grammatik und Rechtschreibung (etwa durch Kleinschreibung) durchaus etwas mit dem Fall der Gegenwarts-Lyrik in die Bedeutungslosigkeit zu tun hat. Wer sich von der Sprache der Menschen abhebt, muss sich nicht wundern, nicht verstanden oder nur belächelt zu werden. Der Autor möchte sich nicht durch eine besondere Schreibweise von Alltagsrede oder -schrift abheben, sondern durch die Art der Beobachtung und durch einen besonderen Blick auf die Dinge. Wenn darüber dann gelächelt wird, stört ihn das nicht.
"Besser wäre es den Vogel näher zu benennen": Das hatte der Autor sich auch überlegt, ist dann aber davon abgerückt, um nicht dazu zu verleiten, sich Gedanken über die Beziehung einer bestimmten Vogelart zu Heidelbeeren zu machen. Dass sich die Süße der Heidelbeeren in die Süße eines Vogellieds verwandelt hat, war ihm Aussage genug, und alles mehr schien ihm nur verwirrend. Dennoch hat der Einwand seine Berechtigung, vermutlich wird doch noch geändert.
Platz vier (neun Punkte)
sie dreht sich nicht um, als sie geht
- - der rote rote mohn
Klemens Antusch, 1-2-2
Mein Lieblingshaiku diesmal, mit seiner ungewöhnlichen Form und dem Volkliedzitat - das aber im Kontext dieses Haiku einen genau umgekehrten Sinn bekommt und deshalb eine ganz wehmütigen Atmosphäre schafft.
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Glaube ich zu kennen.
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Die 07 kenne ich, wenn ich mich recht entsinne, in einer wesentlich stärkeren Version - aber ich komm nicht drauf, von wem. Und dann ist da noch "Und im Sommer,da blüht der rote, rote Mohn, und ein lustiges Blut kommt überall davon. Schätzel ade, ade, Schätzel ade! Und im Sommer,da ...
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in beitrag #7 erekenne ich eine art variation meines "sie geht/der blaue blaue schnee". ich erwähne das nicht, weil ich den autor als plagiator denuzieren will, sondern um die sensitivität dafür zu schärfen, was als aufgreifen und weiterführen eines motivs oder themas gelten kann (im alten japan ja gang und gebe). eine variation in der literatur, sehr ähnlich wie in der musik, greift ein thema eines textes auf, betont aber inhaltlich und formal andere aspekte dessen, was im originaltext angelegt ist. zum beispiel eine variation von buson auf bashôs froschhaiku:
jumping in
and washing off an old poem -
a frog
oder benard einbonds:
frog pond ...
a leaf falls in
without a sound
in diesem sinne sehe ich in #7 keine eigenständige variation, weil der text weder formal noch inhaltlich einen progress erkennen lässt. die sensisitivität gegenüber solchen bearbeitung sollte hoch bleiben, weil ansonsten jeder einen als gelungen eingestuften text hernhemen kann, ihn minimal verändert und damit reüssiert. dem können wir vorbeugen, indem wir uns an jene texte erinnern, die gelungen sind, ähnlich wie das auch in bashôs shômôn-schule praktiziert wurde, aber auch schon früher und dann auch später, denn das haiku ist keine horizontale, in der alles unreflektiert und unerinnert wiederkehrt, sondern ein gedicht, das ein dynamisches vertikales gedächtnis aufweist....
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sie geht ...
der blaue blaue
schnee
Dietmar Tauchner, veröffentlicht in: "Der Lärm des Herzens", Haiku-Jahrbuch 2004
Die Beurteilung von ähnlichen Haiku ist ein schwieriges Thema, ich verweise hier auf den Aufsatz "Autorenschaft im Haiku". Nach dem 1. Drittel (anderes Thema) geht es bis zum Schluss um das Thema "Ähnliche Haiku".
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Ein absolutes Gänsehaut-Haiku. Eines, das sich wie eine Tragödie liest und den Leser geradezu auffordert, hinter der weg laufenden Frau hinterher zu rufen. Es ist dies ein Beispiel, das durch die Wiederholung des Adjektivs „rot“ die Tragik des Augenblicks fast bis zur Unverträglichkeit gesteigert wird und in mir eine Lawine schuldhafter Gefühle auslöst, die sich urplötzlich aus dem Schatten des Gestern heraus schälen. Ich bin mir unsicher, weil ich dem geheimnisvollen „roten, roten Mohn“, vielleicht eine Bedeutungsschwere zuordne, die er nicht verdient hat, weil da möglicherweise etwas ganz Persönliches mit schwingt, das ich nicht fassen kann und in meinem Kopf als „die verlorene, verlorene Zeit“ interpretiere.
die Luft steht still
junge Amseln lernen
wie man Kirschen klaut
Monika Thoma-Petit, 1-1-4
Da will ich es kurz machen. Es klingt lustig, was ich im Haiku schon lange vermisst habe, aber Vögel (obwohl man den Elstern dergleichen nachsagt, was jedoch bezweifelt werden darf) klauen halt nicht und müssen das auch nicht lernen. Die Vögel ernten, was ihnen Mutter Natur offeriert oder ihnen die Menschen im Winter hinhängen.
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Was die Kritik betrifft, die an meinem eigenen Haiku geübt wurde, so gebe ich gerne zu dass sie mich absolut überzeugt hat und ich möchte dem anonymen Kritiker ausdrücklich dafür danken. Sie hat mich dazu gebracht, dieses Haiku neu zu formulieren in einer Weise, die dieser wohlfundierten Kritik Rechnung trägt:
die Luft steht still
junge Amseln lernen
Kirschen ernten
Juninachmittag
inmitten der Wiese
ein Paar blauer Schuhe
Dietmar Tauchner, 0-2-5
Erste Zeile zu schwach.
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Die letzte Zeile wirkt so aufgeräumt, so brav. Da liegt nicht ein Schuh verloren in der Wiese herum , sondern wurde ein rechter und ein linker einträchtig nebeneinander gestellt, als wäre die Wiese ein Schuhschrank. Natürlich frage ich mich, was das Schuhwerk so mitten in der Wiese verloren haben könnte, ob es Pumps, Sneakers oder Wanderschuhe sein könnten und sich durch die Wiese ein Bach schlängelt, in dem sich ein Wanderer gerade die nackten Füße kühlt, aber das Bild wirkt zu „ordentlich“ und wenig aufrüttelnd.
Platz sieben (sieben Punkte)
Keine Eile…
Möwen manövrieren
im Wind
Michael Lindenhofer, 0-2-3
Erste Zeile zu schwach.
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Ein brav geschriebenes Haiku, das knapp an einem Punkt vorbei geschrammt ist. Sich Zeit nehmen, wenn etwas Faszinierendes zu beobachten ist, halte ich für überaus sinnvoll und nachvollziehbar. Wir Menschen lassen uns zu oft hetzen, anstatt inne zu halten und über den Beobachtungen die Zeit zu vergessen.
leuchtendes Rot
zwischen Johanniszweigen
ihr Lachen ernten
Gabriele Reinhard, 0-1-5
Bei # 06 gefällt mir das Kigo "Johanniszweige" und die überraschende Wendung in Zeile 3. Die Metapher "Lächeln ernten" nehme ich dabei gerne in Kauf.
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Das leuchtende Rot (die roten Beeren, ein rot geschminkter Mund) korrespondiert mit dem Lachen der Frau und steht somit für ein gerüttelt Maß an Lebensfreude. Zwei arbeiten zusammen im Garten oder eine Person wirft eine Bemerkung über den Zaun, die ein Lachen provoziert. „Ihr Lachen ernten“ ist eine überraschende Wendung, welche die Phantasie beflügelt und im Kopf allerlei Gedanken auslöst. Das Haiku hat so diese Ahnung von Sommer, Sonne, Liebe........ und macht Lust, die Unbeschwertheit des Augenblicks zu genießen.
Platz neun (sechs Punkte)
der leere Sandweg -
der Wind riecht nach Thymian
von heißen Wiesen
KRZYSZTOF, PL, 0-2-2
Der Wind ist ein geruchloses Gas und riecht nicht aus sich heraus. Er transportiert Gerüche. Die ätherischen Öle werden insbesondere durch die Hitze frei gesetzt, so dass der Hinweis auf die „heißen Wiesen“ überflüssig wird und nicht mehr besonders betont zu werden braucht.
Am Scheideweg —
in den Bäumen flüstert
der Sommerwind.
Beate Conrad, 0-2-2
Mir erschließt sich dieses Haiku erst in intensivem Nachdenken, weil die verwendeten Begriffe und Bilder schon etwas Patina haben. Doch gelingt es diesen Zeilen trotzdem, in mir einen Nachhall zu erzeugen. Und dies kam so: Für mich ist der Scheideweg eher eine Redewendung denn ein konkreter Ort. Entsprechend geht es in Zeile eins um einen Menschen in einer Situation, in der er sich für oder gegen eine Trennung von jemanden zu entscheiden hat. Diesem Bild gegenüber steht eine Reihe Bäume, deren Blätternrascheln im Ohr dieses Menschen zum Flüstern wird. Der mutmaßlichen inneren Kälte des Entscheiders steht die Wärme des Jetzt gegenüber, und sein mögliches Tun ist schon Thema: auf jeden Fall für sein Gewissen, möglicherweise auch schon für andere Menschen. Doch noch kann er zurück, noch ist der entscheidende Schritt nicht getan.
Das schaukelnde Kind
vor dem Abendrot
den Sommer fühlen
Bernd Balder, 0-1-4
Das "Das" stört.
***
Warum ich immer Abendbrot gelesen habe ist mir noch nicht wirklich klar geworden. Inwieweit Kinder (vielleicht 4 – 7 Jahre oder älter?) in der Lage sind den Sommer zu fühlen mag dahingestellt sein. Aber vielleicht schauen dem schaukelnden Kind ja Erwachsene zu und die fühlen den Sommer. Es ist auch ein Beispiel, das ein Haiku ohne jegliche Satzzeichen dem Leser so einige Arbeit aufhalst und bei so mancher Satzkonstruktion auch mal in die Hose gehen kann, weil ein falscher Bezug hergestellt wird, der so nicht gemeint war.
zwei Tagfalter
über vergilbtem Korn
ihre Schatten
Simone Knierim-Busch, 0-0-6
Warum zwei?
***
Ich überlege, wie groß so ein Tagfalter sein muss, damit er imstande sein kann einen mit dem bloßen Auge erkennbaren Schatten zu werfen. Irgendwie klingt das ziemlich weit hergeholt.
Die Linden blühen –
im Bad noch ein Hauch
seines Duftes
Gesine Becker, 0-0-6
Zwei nebeneinander gestellte Bilder, in denen der in Blüte stehende Lindenbaum einen süßschweren Duft verbreitet (zumindest wird dies durch die Beschreibung evoziert), der sich im Badezimmer mit einem eher männlich herben Duft vermischt, womit der Leser mit einer zweifachen, nicht auf einen Nenner zu bringenden Duftkomponente irritiert wird, was ich für keinen besonderen Schachzug halte, zumal ganz böswillige Gemüter bei der Beschreibung „seines Duftes“ weniger auf Rasierwasser, sondern eher auf Schweißgeruch oder sonstige nicht gerade nach Rosen riechenden Düfte schließen könnten, womit ich auch dieser Wendung kein sonderliches Lob aussprechen kann. Die aus dem Haiku sprechende Gefühlslage (Sehnsucht) ist eindeutig und nachvollziehbar, aber aus meiner Sicht jedoch nicht sonderlich glücklich umgesetzt und geringfügig am Thema vorbei geschrammt, weil die Linden wohl eher im Frühling blühen?
Platz 14 (fünf Punkte)
eilig
zwischen den Reisenden
eine weiße Rose
Silvia Kempen, 0-2-1
Ein Haiku, dem ich möglicherweise Unrecht tue, weil ich es in einem Anfall von Begriffsstutzigkeit nicht wirklich verstehe. Vielleicht die Szene in einem Eisenbahnabteil, aus dem die Fahrgäste gerade hinaus drängen, weil der Zielbahnhof erreicht wurde und dabei die Rose auf dem Sitzpolster vergessen geht...., was aber irgendwie auch nicht sein kann, weil sich diese ja zwischen den Reisenden befindet..... Wie ich es auch drehe und wende, es erschließt sich mir leider nicht.
Kühlung suchen
im Dunkel des Hohlwegs
die unsteten Lichter
Gerda Förster, 0-2-1
Auch hier ist es die Atmosphäre, die mir gefällt: das Hell-Dunkel, die Kühle im Hohlweg deren Erwähnung die Sommerhitze ungesagt impliziert – mehrere Sinne sind angesprochen und irgendwie fängt dieses Haiku für mich einen typischen und ein wenig geheimnisvollen Sommeraugenblick ein.
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Das Kühle suchen, um im Hohlweg festzustellen, dass es einem plötzlich siedend heiß wird. Na ja, so könnte es sein, aber irgendwie ist mir das ein bisschen zu wenig. Die beiden letzten Zeilen sind in Ordnung, die erste sollte vielleicht noch einmal überdacht werden.
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… wenn das nicht von Beate Conrad ist, dann habe ich damit ein Problem. Die Lichter im Hohlweg hatte sie auf haiku.de.
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Zwar kommen in beiden Haikus die Wörter Hohlweg und Lichter vor, aber die Aussage und der Inhalt sind doch verschieden. Meinem Haiku liegt ein reales Erlebnis zugrunde: ein abendlicher Spaziergang im Juni duch einen Hohlweg, in dem Glühwürmchen umherschwebten. Nun, ich habe versucht, die Glühwürmchen nicht zu benennen, auch das Wort Sterne zu vermeiden und bin so auf die Lichter gekommen. Naja, wie auch immer, die Verwendung von bestimmten Worten, die in anderen Haikus auch vorkommen, ist immer eine Gratwanderung. Vielleicht hätte ich auch schreiben können:
Juniabend
im Dunkel des Gartens
unstete Lichter
(Ich hatte viele Fassungen ausprobiert.)
auf dem Strand -
nur die Wellen streicheln
ihre Tätowierung
Cezar-Florian Ciobîcă, 0-0-5
Auch erste Zeile zu schwach.
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Habe mich als Erstes gefragt, auf welchem Körperteil sich die Tätowierung wohl befinden mag. Liegt die Frau auf dem Rücken oder auf dem Bauch? Die Wellen rollen meistens im tiefen Wasser heran, brechen sich an einer bestimmten Stelle und fließen dann flach weiter. Wer wirklich am Strand liegt, was aus meiner Sicht nicht die Zone ist, an der man Gefahr läuft nass zu werden, den erreichen die Wellen nur bei Sturmflut. Insoweit ist das Bild falsch. Es erinnert mich auch irgendwie an ein Haiku aus den Neunzigern, in welchem von einem Playboy die Rede war, dem nur noch der Wind das Haar zerwühlte.
Platz 17 (drei Punkte)
der vernachlässigte Garten –
in dem alten Springbrunnen
ein Nest der Amsel
Andrzej Dembonczyk, 3 Punkte, 0-0-3
Der – wenn auch vernachlässigte – Garten lässt mich an eine Schrebergartenanlage denken, zu dem der alte Springbrunnen nicht so recht passen will, den ich eher in einem Schlosspark angesiedelt sehen möchte. Ein Stück vergessen gegangene Welt, in der etwas Neues am Entstehen ist. Es ist auch ein Beispiel, an dem man aufzeigen kann, wie völlig schadlos ein paar Wörter eingespart werden können.
der vernachlässigte Garten –
im alten Springbrunnen
ein Nest
Mit einem Fallschirm
aus Löwenzahnseide
ins Leben starten
Heinz Schneemann, 3 Punkte, 0-0-3
Ich sehe es zwar vor mir, das die Pusteblume zerblasende Kind, aber so wirklich geht es nicht an mich. Es entspringt nicht aus jedem Löwenzahnsamen eine neue, eigenständige Pflanze, wie es der Text uns glauben macht, sondern es bleiben wohl mindestens genau so viele auf der Strecke, die nie zum Leben erwachen. Das Leben beginnt für den Löwenzahnsamen nicht im Flug, sondern kann erst beginnen, wenn er auf einem ordentlichen Boden aufschlägt und alle Voraussetzungen für sein neues Leben vorfindet. Ich will es nicht auf die Spitze treiben, aber das Wort „starten“ bedeutet eigentlich etwas aus eigenem Antrieb tun. Der Löwenzahn wird gestartet, was irgendwie auch für die Menschenkinder gilt. Sie werden ins Leben gesetzt ohne lange gefragt zu werden. Trotzdem hat das Bild selbstverständlich etwas rührendes, was ich mit einem Punkt bewerte, weil es einfach so richtig knuddelig ist, dass ich darüber alle Bedenken hinten anstelle.
Platz 19 (zwei Punkte)
Wann hast Du zuletzt
versucht einen Grashüpfer
barfuß zu fangen ?
Brigitte Doleschel, 0-0-2
Mit den Füßen einen Grashüpfer fangen? Gut, das habe ich in diesem Leben noch nicht probiert, erinnert aber irgendwie an Kindertage. Die Frage erzeugt Wehmut, lenkt meinen Blick rückwärts und lässt mich ein wenig über die bereits beschrittene Wegstrecke nachdenken und an welchen Kreuzungspunkten des Lebens ich vielleicht anders hätte abbiegen sollen.... Wenn ich das Kindhafte ausklammere, verliert es dagegen jeglichen Charme, so dass ich auch hierfür keine Punkte verteile.
Platz 20 (ein Punkt)
Flirrende Hitze
Zeit und Raum verbinden sich
träumen sich hinfort.
Eva Warweg, 1 Punkt, 0-0-1
Das ist wohl eher ein Stück romantische Lyrik. Die Hitze erfährt eine finale Interpretation und lässt dem Leser somit keinen Raum, eigene Gedanken zu entwickeln.
Diesmal leider keine Punkte
kerzenlicht-
das laute kreischen
der zikaden
Manchmal sind es einzelne Worte, die beim Lesen ein gewisses Unbehagen auslösen. Die Zikaden klingen mir zu sehr nach Poesie und das Wörtchen „kreischen“ wird dem Gefühl nicht gerecht, das dieses Bild eigentlich vermitteln sollte: Im Dämmerlicht bei Kerzenschein draußen sitzen und dem Konzert der Grillen lauschen, die wir gemeinhin mit dem Süden, den Lavendelfeldern der Provence usw. in Verbindung bringen. Es bleibt dem Leser überlassen, ob da jemand allein am Tisch sitzt und seinen Gedanken nachhängt oder zwei Hand in Hand nebeneinander sitzen und gemeinsam diese Empfindung von Glück genießen.
Die flimmernde Luft,
ein siedender Gedanke -
gratis Schokoeis!
Hier möchte ich von einem bunt zusammen gewürfelten Bild sprechen, das mit zwei sehr dominanten Adjektiven daherkommt (flimmernd, siedend), die beide auf eine große Hitze schließen lassen, die dringend durch ein Schokoeis neutralisiert werden möchte. Es sind die drei hintereinander gestellten Sinneseindrücke, die dem Haiku nicht gut tun und es förmlich bis zur Belanglosigkeit platt walzen. Es fehlt dem Werk entschieden an Pfiff und hat nicht eine Spur jenes Nachhalls, der über das angesprochene Bild hinaus führt und dadurch im Leser mannigfaltige Assoziationen anspricht.
in der sonne funkelt mein leib – endlich mein leben
Na ja, die einzeiligen Haiku wollen wohl noch besser bedacht sein als die zweizeiligen. Es ist dies eine privat geäußerte, ganz persönliche Feststellung, die mich trotz der Sonneneinstrahlung kalt lässt.
1 Kommentar:
... 'n Abend, Ralf, danke für Zeit und Mühe.
Weiterhin alles Gute für Dein Projekt.
Ramona
1. August 2010 18:22
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'tschuldigung,
ich hatte das unten falsch gepostet ;o) haste Töne!
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