31. Mai 2010

Gabriele Reinhard gewinnt Kukai 2010

Liebe Haiku-Freundinnen und -Freunde,

die Premiere von Kukai 2010 neigt sich dem Ende zu. Es wurde gedichtet, es wurde gewertet, es wurde kommentiert, es wurde gezählt. Jetzt steht die Reihenfolge der Punktbesten der ersten Runde fest: eine klare Liste, ein klare Punkteverteilung - aber durchaus unterschiedliche Ansichten, die in den Kommentaren und den individuellen Punktervergaben deutlich wurden.

Gewonnen hat diese Premiere Gabriele Reinhard mit einem gewissen Abstand zu Gerda Förster und Marion Naumann d`Alnoncourt. Herzlichen Glückwunsch! Interessant dabei: Gerda Försters Haiku hat die meisten Top-drei-Platzierungen bekommen, nämlich elf. 25 Haiku wurden eingereicht, mindestens fünf kommen aus dem deutschsprachigen Ausland (wenn ich die Mail-Adressen richtig deute).

Zwei Haiku haben es leider nicht in die Punkte geschafft. Diese beiden Haiku sind - wie versprochen - anonymisiert.

Auf jeden Fall habe ich zu danken. Das liegt einzig und allein an Euch und Ihnen, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieses Wettbewerbs: Meine Erwartungen an die Zahl der Teilnehmer ist übertroffen worden. Meine leichte Sorge, die bewusst gewählten Freiräume im Regelwerk könnten für kreatives Punkte-Pimping genutzt werden, erwies sich als unbegründet: Bewertungspflicht und Mindestpflichtpunktvergabe werden aber bestimmt weiter diskutiert. Und das ist auch völlig legitim.

Euer und Ihr
Ralf Bröker

PS: Ich versuche ständig zu lernen. Wer mir dabei mit Kritik oder Anregungen helfen möchte, schreibt mir bitte oder kommentiert im Blog. Diskussionen hier sind ausdrücklich erwünscht!





Platz eins (22 Punkte)


fließendes Licht
das Schmelzwasser führt
keinen Namen


Gabriele Reinhard, 5-2-3
(Die Formatierung wurde auf Wunsch der Autorin geändert.)




Platz zwei (18 Punkte)


Durchwachte Nacht -
im Morgenlicht
der Apfelblütenzweig


Gerda Förster, 0-7-4




Platz drei (17 Punkte)


Tauwetter im Park
der Saum ihres Rocks
spielt mit dem Wind


Marion Naumann d`Alnoncourt, 2-4-3

"Nummer 4 gefällt mir, weil es der Saum ist, der sich den Wind als
Gespielen nimmt und ihn schon mal mutig ranholt, obgleich es
eigentlich fürs luftige Spielchen noch zu kühl ist..."




Platz vier (14 Punkte)


Tag der Arbeit
von Birke zu Birke wieder
die Hängematte


Monika Thoma-Petit, 2-2-4




Platz fünf (neun Punkte)


kirschblütenblätter
fallen ... eines
fängt mein blick


Heike Stehr, 1-2-2




Platz sechs (acht Punkte)


Veilchenmond -
dem Blick des Fährmannes
ausweichen


Ramona Linke, 1-2-1




Erneut
am Straßenrand die Schlehe
ganz in Weiß


Heinz Schneemann, 1-2-1




Platz acht (sechs Punkte)


Die letzte freie Parkbank –
unser beider Schritt
beschleunigt


Michael Lindenhofer, 0-1-4

"Auch hier ist die Jahreszeit nicht erkennbar."




Platz neun (fünf Punkte)


im Flüsterland -
sogar den Wind
wollten sie fangen


Gerd Börner, 1-1-0

"Hier fehlt der jahreszeitliche Bezug. Wind allein ist kein kigo
(er ist ganzjährig). Vom Textzusammenhang läßt sich das sonst
auch nicht näher erschließen."




Weltenbummel -
Auf dem Erdball meines Enkels
Ein Marienkäfer


Cezar-Florian Ciobîcă, 0-2-1




das Frühlingswetter
ein wenig Sonnenschein
in jeder Pfütze


KOKOT PL, 0-2-1




Platz zwölf (vier Punkte)


scheiß frühling, seufzt sie,
regen und nichts als regen,
aber prachtvoll grün!


Gabriele Brunsch, 1-0-1

"Deftig und melancholisch, sehr melodisch und lebensecht, findet
sich ganz zwanglos ein in 5-7-5."





Vergissmeinnicht auch
kleine Hände flechten flink
Sonnenstrahlenkranz


Eva-Maria Warweg, 1-0-1




'n bißchen Frühling.
Der gepierßte Bauch streckt sich
zwischen Jeans und Shirt.


Beate Conrad, 0-1-2

"Nummer 19 hat alles, die Jugend, das Kigo, die Lebensfreude,
die Modernität, das bisschen unschuldige Laszivität, die
befremdliche Freizügigkeit in einem eisigkalten Frühlingslicht -
(sorry, heute waren es nur 6°C) - und der trotzige Mut,
mit ein wenig weniger an Kleidung zumindest so zu tun,
als wolle man sich dem Wetter widersetzen. (Ich würde
jedoch die Rechtschreibung ändern: gepiercte! - heißt
ja nicht "gespießte"!)"




mit weißem Mützchen
erste Schritte
auf Kirschblüten


Bernadette Duncan, 0-1-2




geräuschkulisse ...
der erste rasenmäher
nach den schneefräsen


Sonja Raab, 0-1-2




Platz 17 (zwei Punkte)


Blausternchenhimmel
im Wald jubilierender
Schattenlichterglanz


Brigitte Doleschel, 0-1-0




mit den Augen
scannt er ihre Figur......
träumt, bis sein Zug kommt.


Georges Hartmann, 0-1-0

"Das geht in Richtung Senryû, was kein Problem ist; aber der
jahreszeitliche Verweis fehlt. Figuren werden immer beguckt."

"Nummer 18 ist ein Ausschnitt, der einen besonders nachhaltigen
Augenblick umfasst. Es fehlt zwar das Kigo - was eigentlich ein
ziemlich schlimmes Vergehen in einem erlauchten Kreis von
Haiku-Verfassern ist - aber das stimmt mich eher fröhlich -
und ich freue mich, dass der Mann dem "gescannten" Bild
hinterherträumt, und es ihm die Wartezeit verkürzt..."




beim Trompetenstoß
sich fallen lassen
Kirschblüten in den Wind


Silvia Kempen, 0-0-2




Platz 20 (ein Punkt)


Hinter dem Wind -
im Blütenmeer
aufatmen


Christa Beau




Der Blitzstrahl
das Kind
hält sich die Ohren zu.


Zorka Cordasevic
(Die Formatierung wurde auf Wunsch der Autorin geändert.)

"Blitz als Verweis auf Gewitter ist ein kigo für den Sommer."




Ein Mann hackt Holz,
im Bachrauschen verborgen.
Erste Blüten.


Volker Friebel




Blaue Hyazinthen
Wasserläufer lächeln
neben meinem Fluss


Brigitte Prommegger-Weilguni




Platz 23 (diesmal leider keine Punkte)



Bunter Tulpenstrauß
die Braut ist blond
und strahlt





sie wollen hinaus zögernd sich trauend - hoffnungsvolles Grün

(Aus Platzgründen steht dieser Einzeiler in einem kleineren Font.)




Allgemeine Kommentare


#1
"Insgesamt finde ich alle Texte sehr schön und die Auswahl fiel mir sehr schwer."

#2
"Bei einigen habe ich ein Gefühl von "Déja-vue", was nicht schlimm ist, weil es eben millionenfach geschriebenes und gelesenes Haikugut gibt - in so vielen Sprachen, da geistert so manches Bild mehrfach gestrickt und gebündelt vor dem geistigen Auge herum, wenn ich Kirschenblüten fliegen sehe und Wasser namenlos ins Nichts fließen... Dass sie fast alle freie Haiku sind, die keinem strengen Schema folgen, finde ich persönlich bedauerlich - aber das wurde an anderer Stelle schon ausführlich diskutiert..."


#3
"Vulgäre Wörter, auch solche, die in der Zwischenzeit oft gebraucht werden, haben, finde ich, im Haiku nichts zu suchen. Sie werten das Ganze ab."

#4
"Ich denke, es sind ganz gute Haiku dabei, aber auch einige, die ich gleich weggestrichen habe - unter anderem weil kein Jahreszeitenwort dabei ist. Für den Anfang ein gutes Ergebnis. Nun kommt es auf die Wertung der Autoren an, wie das Ergebnis ausfällt."

#5
"Ein interessantes Konzept, ich fände es schön, wenn du das weiterführen würdest. Was mich allerdings sehr überrascht hat, war die - wie ich meine - geringe Zahl der Teilnehmer. ... Vielleicht liegt die Zurückhaltung an einer Furcht, sich zu "blamieren". Dem man mit einer Änderung der Ausschreibungs- (bzw. Namens-Veröffentlichungs-) Bedingungen begegnen könnte, falls sich das beim zweiten Kukai nicht sowieso bessert. Für deine Initiative meinen Dank! Ich denke, dass so etwas in der deutschsprachigen Haiku-Szene fehlt."

#6
"Recht auffällig: Einige Texte beinhalten gar keinen jahreszeitlichen Bezug. Vielleicht irgendwo im Blog bzw. bei der Briefanleitung erwähnen, daß da zumindest ein indirekter Bezug vorhanden sein muß, aus dem die Jahreszeit (hier also Frühling) erkennbar wird. Das ist ja sogar das Schwierigere. Vielleicht auch ein paar Verweise zu dem, was Kigo sind und für welche Jahreszeit, was in etwa gilt.
Zu überlegen wäre evtl. auch kigo nach welcher "Konvention": Den Marienkäfer sehen wir in Deutschland schon im Frühjahr, im japanischen Saijiki steht er für den Sommer (und auch da die Frage, welcher Kalender wohl jeweils gilt). Da gibt es also einige Unterschiede, die zu bedenken sind (auch welche Quellen (neben der eigenen Beobachtung) man als geltend/verbindlich heranziehen will.
Nebenbei sollte auch eine Überhäufung der kigo möglichst gemieden werden ...; es gibt eine Ausnahme zur Verwendung mehrerer kigo, das ist bspw. der jahreszeitliche Übergang, der sich durch Kontrastierung zweier kigo erreichen läßt."


#7
"Ich trag die vier Seiten als Ausdrucke ständig mit mir herum und schau immer wieder mal hinein: beim Zugfahren, beim Frühstück oder abends nach getaner Arbeit.
Ich lass die Sachen auf mich wirken und nachdem einige davon einen eher enigmatischen Charakter haben, möchte ich den mir Unzugänglicheren eine Chance geben und warten, ob sich noch was auftut. Aber ich habe zu manchen noch keinen Eingang gefunden."


2 Kommentare:

raabenweib hat gesagt…

vielen dank für die viele mühe, es hat sich gelohnt! lauter tolle gedichte sind dabei rausgekommen!
alles liebe, sonja

Danièle Duteil hat gesagt…

Sehr gut ! Am nächsten Mal werde ich an diesem Kukaï teilnehmen.